Wir beginnen mit einem kleinen Gedankenexperiment:
Denke dich dafür in die Situation, du wüsstest rein gar nichts darüber, wie Sex in unserer Gesellschaft praktiziert wird. Stelle dir vor, du möchtest Sex vollkommen unabhängig von gesellschaftlichen Standards definieren – deine ganz persönlich-individuelle Definition. Hast du dir schon einmal darüber Gedanken gemacht, was Sex für dich ist und vor allem auch was er für dich nicht ist?
Setzt du Penetration mit Sex gleich? Nennst du etwas Sex, wenn mindestens Oralverkehr im Spiel ist? Vielleicht ist Sex für dich rein körperlich? Machst du die Definition von einem Orgasmus abhängig?
Siehst du Sex als eine von vielen Möglichkeiten der zwischenmenschlichen nonverbalen Kommunikation – als eine Art, sich selbst im Kontakt mit anderen auszudrücken und zu erfahren?
Das Schöne ist: Es gibt hier kein richtig oder falsch. Für jeden Menschen darf Sex etwas vollkommen anderes sein.
Die Sexualität von einem Menschen ist individuell und einzigartig.
Dass es dennoch stark verbreitete Normen, Verhaltensweisen und Vorstellungen davon gibt, was Sex ist und wie dieser auszusehen hat, lässt darauf schließen, dass viele Menschen sich nicht eigenverantwortlich mit ihrer eigenen Sexualität auseinandersetzen. Offenbar, weil sie es nicht gelernt haben.
Kannst du im sexuellen Kontakt unterscheiden zwischen dem, was du wirklich gerne machst, weil es dir Wohlbefinden, Geborgenheit, persönlichen Ausdruck und Verbindung schenkt und dem, von dem du glaubst, dass es von dir erwartet wird? Erfährst du deine Sexualität nach einem Leitsatz, dass Sex eben so oder so „funktioniert“? Spürst du die vielen Einflüsse und gesellschaftlichen Schichten unserer Kultur, die dich – die jeden von uns – unweigerlich umgeben und die dich eventuell daran hindern, deine ganz individuelle Form von Sex zu erkunden und zu leben?

Bin ich mit meiner Sexualität „normal“?
Wie oft hat man in einer „gesunden“ Beziehung Sex? Mit wem ist Sex „normal“ und wann wird es seltsam? Wie sollten Frauen und wie sollten Männer beim Sex aussehen und sich verhalten? Was sind No-Gos im sexuellen Kontakt? Braucht man Sex, um sich erfüllt und glücklich zu fühlen? Ist Lachen beim Sex eigentlich erlaubt?
Womöglich gibt es auf jede Frage eine gesellschaftskonforme Antwort. Doch was sind deine ganz persönlichen Antworten auf Fragen zu diesem Thema, wenn du mal in Ruhe ehrlich in dich reinhorchst und deine bisherigen Erfahrungen reflektierst? Lässt du dich von den Sexstandards der kollektiven Welle mitreißen oder hast du diese Fragen für dich eigenständig untersucht und geklärt?
Da Sex ein tendenziell schambehaftetes Thema ist, ist es umso schwieriger, sich hier von gesellschaftlichen Normen abzugrenzen, die eigenen Bedürfnisse und Interessen zu spüren und sie dann zu kommunizieren. Umso wichtiger ist es allerdings auch. Es ist wie vieles (oder alles) eine Übungssache, die oftmals erst Mut und Energie benötigt und uns mit der Zeit immer leichter fällt.
Sex ist ebenso vielschichtig wie der Mensch:
So kann Sex auf der einen Seite etwas unglaublich Großes sein – die ultimative emotionale Öffnung einem anderen oder mehreren Menschen gegenüber. Sozusagen die Meisterklasse des Sich-Zeigens, Sich-Offenbarens – genauso, wie man ist. Dafür braucht es keine monogame, romantische Liebesbeziehung. In einer festen Partnerschaft fällt es vielen dennoch leichter, sich so zu zeigen, wie sie sind.
Und andererseits kann Sex bereits ein einziger sich treffender intensiver Blick sein oder auch ein intimer Tanz, während sich die Welt um einen herum einfach auflöst. Diese magischen, meist unerwarteten Momente, die mit jeder Faser des Körpers in unendlicher Intensität wahrgenommen werden, sind vollends befriedigend, genauso, wie sie sind. Da braucht es kein „mehr“, „schneller“ oder „tiefer“. Für mich ist auch das purer Sex in einer seiner vielen Facetten.
In jedem Fall kann Sex so viel mehr sein als (Vorspiel,) Penetration und Orgasmus.
Sex erlebe ich als erfüllend, wenn es nicht primär darum geht, was im Kontakt miteinander passiert, sondern wie. Die Qualität der Berührung ist ausschlaggebend. Wenn dann noch der Fokus auf dem Erfahren oder Genießen und nicht auf dem Erreichen eines Zieles – wie zum Beispiel dem Orgasmus – liegt, können atemberaubende Zustände entstehen.
Anders formuliert empfinde ich beim Sex die innere Haltung, das Maß an Achtsamkeit und die Intention als essenziell.
Eine Wunderformel, die sich auf alle Lebensbereiche übertragen lässt.
Sex nach Drehbuch - Aufklärung durch Pornos

Zu einem großen Teil geschieht sexuelle Aufklärung durch die Pornoindustrie. Diese reduziert vielfach Sex auf Körperliches mit gleichzeitigem Abschneiden individueller Gefühle. Ein oftmals durchgeplantes Schauspiel mit einander fremden Schauspielern, das dazu dient, beim Zuschauer eine gezielte Reaktion auszulösen. Also genau das Gegenteil von Authentizität, Natürlichkeit, Verbundenheit und emotionalem Ausdruck.
Durch die Aufklärung anhand von Pornokonsum können Glaubenssätze, Erwartungshaltungen und Vorstellungen über Sexualität entstehen, die tief verinnerlicht werden und im späteren Leben zu Herausforderungen führen können. Nicht selten kommt es z. B. durch Erwartungsdruck zu sexuellen Funktionsstörungen verschiedener Art, damit zu großer Frustration und damit wiederum zu sich festsetzenden Blockaden und chronischer Unlust – ein Teufelskreis, in dem sich einige Menschen durch unterschiedliche Ursachen wiederfinden.

Unabhängig davon, an welchem Punkt du dich gerade befindest. Ob du lieber mehr oder weniger Sex hättest. Ob Sex für dich mit Brainfucks verbunden ist oder ob du total happy mit deinem Sex bist, dafür vielleicht irritiert, dass es für viele andere ein kompliziertes, stressbehaftetes Thema ist:
Wenn du ganz einfach Bock hast, deine Sexualität zu erforschen, neue Perspektiven kennenzulernen, aus Routinen auszubrechen und dein „Repertoire“ zu erweitern, möchte ich dir mit viel Freude zwei Empfehlungen ans Herz legen:
Das Buch „Finde deine sexuelle Kraft - Die Elemente der Ekstase“ von Ilan Stephani
Ilan Stephani bezeichnet sich u.a. als Körperforscherin. Das Außergewöhnliche an ihrer Arbeit ist, dass sie die uns Menschen bewegenden Themen unter dem Begriff „(Hardcore-)Embodiment“ körperlich angeht. Sie arbeitet mit Frauen und Männern in einer individuellen Weise.

Ihr Buch „Die Elemente der Ekstase“ revolutioniert die gesellschaftliche Definition von Sex und unsere Sexkultur. Das Game Over für Mythen und Klischees rund um‘s Thema Sex.
Mit ihrer atypischen Typenlehre fühlte ich mich in meiner Sexualität, in meinem Wesen gesehen und auf einer tieferen Ebene verstanden, als mir bis dahin bekannt war. Dieses tiefere Verständnis kannst du für dich ebenso wie für deine Mitmenschen – z. B. deine*n Partner*in – erfahren. Finde heraus, welches Element zurzeit vorwiegend in dir Ausdruck finden möchte, was die Elemente für eine erfüllende Sexualität brauchen und wie sie sich gegenseitig beflügeln können. Lass‘ dich dabei durch viele Anreize und Tools inspirieren und komme mit den Praxisübungen von der Verstandesebene direkt ins Tun.
Weitere Infos zu „Die Elemente der Ekstase“ findest du hier auf Ilans Seite:
Was dir außerdem Anreize zum Selbsterforschen und Entdecken deiner Sexualität schenkt, ist:
Das Orgasmus-Training

Das 3-wöchige Orgasmus-Training von Claudia und Jan Omland kannst du kostenfrei auf YouTube mitmachen. Die beiden sind Beziehungs- und Sexcoaches. Als Frau wirst du von Claudia begleitet, wenn du ein Mann bist von Jan.
Am Anfang scheint es so, als ginge es ausschließlich um das Thema Orgasmus. Bald kannst du feststellen, dass es um viel mehr geht als das. Insbesondere bei den Frauen geht es um Selbstliebe und um eine sinnliche, leidenschaftliche und lustvolle Verbindung zu sich und dem eigenen Körper. In den Folgen wird immer deutlicher, dass der Fokus weg vom Orgasmus, rein ins ziellose Genießen der Lust gelenkt wird.
Die Grundlage bildet ein achtsamer, neugierig-spielerischer Umgang mit dir und deinem Körper. Wenn du das Training angehst, wirst du sehr wahrscheinlich deinen Körper neu kennenlernen, dein Mindset und deinen Fokus erweitern oder shiften und eine grundlegende Veränderung in deinem Leben kreieren.
Bei diesem kurzen Einführungs-Video findest du beide Trainings in der Videobeschreibung – für Männer und Frauen:
Das Fundament
Das Erforschen deiner eigenen Sexualität ist der Grundstein für den sexuellen Kontakt mit anderen. Du solltest deinen Körper, deine Vorlieben, deine No-Gos, deine Bedürfnisse und Grenzen am besten kennen(-lernen). Deine Sexualpartner sind nicht dafür verantwortlich, dich und deine Bedürfnisse zu befriedigen. Kommunikation ist in diesem Bereich daher besonders wichtig.
Und ja, dabei kann es auch mal peinlich werden, sodass du mit deinen Schamgefühlen konfrontiert wirst. Aber vor allem werden sich ganz neue Wege aufzeigen, die von dir erkundet werden möchten. Natürlich gibt es immer etwas Neues zu entdecken und erfahren – über sich und andere in jedem Lebensbereich. Manchmal unterliegen wir dem Trugschluss, dass wir je „erwachsener“ und reifer wir wären, auch umso mehr wüssten und dass es damit umso weniger zu lernen gäbe. Dabei kann Weisheit das Wissen um das eigene Nicht-Wissen, um die Begrenztheit des Verstandes und das stetige neugierig und offen bleiben für das Unbekannte, bedeuten. Zu glauben, man wisse bereits alles auf eine Situation oder einen Lebensbereich bezogen, ist eine Form der Selbstlimitation. Also bleib‘ neugierig!
Schaue bei deiner Erforschungsreise, wo du in deinem Sexleben Verbissenheit und Ernsthaftigkeit durch mehr Lockerheit und Leichtigkeit eintauschen kannst. Wenn etwas seltsam komisch ist, lache einfach mal gelöst. Ja – dann bist du oder seid ihr für den Moment oder auch für den Tag vielleicht raus aus der Lust – na und? Es wird noch so viele Gelegenheiten geben, in den puren Genuss und die pure Ekstase zu kommen.
„Niemand braucht Fantasien mit angezogener Handbremse.“ (meine gute Freundin Isi)
Bei der sexuellen Erfahrung mit anderen ist – wie auch allgemein im zwischenmenschlichen Kontext – ist in erster Linie für die Intensität oder Tiefe dieser Erfahrung deine emotionale Öffnung ausschlaggebend. Solange du deine Schutzmauern beim Sex aufrecht hältst – die Maske, die wir alle im Alltag tragen, nicht ablegst – wird dein sexuelles Erleben eher ein Kratzen an der Oberfläche sein, eine körperliche Reaktion auf einen körperlichen Reiz. Das kann auch sehr lustvoll und spaßig sein, keine Frage. Für das Erleben von Sex als heilsame, stärkende und ehrliche Begegnung von zwei (oder mehreren) Menschen, gehen diese auch emotional nackt und verletzlich in Verbindung und können einander so tief berühren. Das kann Mut erfordern, aber es lohnt sich.
Ich wünsche dir viel Spaß beim Entdecken, Erforschen und Ausleben deiner Sexualität, deiner Individualität und deiner Lebendigkeit.
Und wenn du magst, lass‘ einen Kommentar da.
Let it shift,
Anika